Freitag, 16. Februar 2007

Blog-Profil

Liebe Kursteilnehmer/innen,

die zeitgemäße Reaktion eines Deutschkurses des 21. Jahrhunderts auf Goethes Briefroman des 18. Jahrhunderts kann allein ein Blog sein. Ein Blog - ursprünglich: Weblog, ein Begriff, der sich aus den englischen Wörtern Web und Log zusammensetzt - ist nach der Definition von Wikipedia - die hier ausnahmsweise als verbindlich gelten soll- "ein digitales Tagebuch": eine Sammlung von am Rechner verfassten, meist spontanen Einträgen einer oder vieler Autoren, die einer begrenzten oder unbegrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist. Die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung wies ihren eigenen Blog vor wenigen Monat als "schnell und schmutzig" aus und qualifizierte diese junge Textsorte damit als eine publizistische Avantgarde, die den/die versierte/n Werther-Leser/in zu Recht an das unkonventionelle Literaturverständnis der Stürmer und Dränger erinnert. Ausrufe, Ellipsen, ununterbrochene Hauptsätze, Inversionen und Redabbrüche stehen im Zentrum des Werther'schen Sprachduktus; Zeichen einer überquellenenden Emotionalität, die in der vernunftgenormten Syntax keinen Platz findet. Was diese "Sprache der Leidenschaft" (Siepmann) trägt, ist Larmoyanz: einer überzogene Weinerlichkeit und Rührseligkeit des Protagonisten und Ich-Erzählers Werther, die einigen der Kursteilnehmer/innen zum Halse heraus hängt. Oder auch nicht. Im besten Fall. Aber auch ein gewisser Ekel an der Lektüre des ersten Pop-Romans der deutschen Literaturgeschichte soll als Ansatzpunkt dienen, selbst literarisch tätig zu werden. Egal wie. Nutzen Sie diesen Blog, um eigene Schreibformen und Textsorten zu probieren. Was an diesen literarischen Versuchen sichtbar werden wird, ist eine Schreibweise im 21. Jahrundert; und es wird zu fragen sein, von welcher Stimmung sie getragen ist.